Ablauf des Strafverfahrens – Das passiert vor Gericht

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Warum Strafanzeige erstatten?

Ohne Kenntnis der Straftat können Polizei und Staatsanwaltschaft nicht tätig werden – die Tat wird nicht aufgeklärt, die Täterin oder der Täter bleibt unentdeckt und unbestraft, sie bzw. er kann weiterhin Straftaten begehen.

Erstatten Sie Anzeige, wenn Sie Opfer einer Straftat wurden!

Sie schützen dadurch sich und andere.

Das Schaubild gibt Ihnen einen Überblick, wie ein Strafverfahren abläuft.

 

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Keine Strafanzeige? Strafverfolgung erschwert!

Ohne Kenntnis der Straftat können Polizei und Staatsanwaltschaft nicht tätig werden – die Tat wird nicht aufgeklärt, der Täter bleibt unentdeckt und unbestraft, er kann weiterhin Straftaten begehen. Schützen Sie also sich und andere: Zeigen Sie jede Straftat an!

Gerade gegenüber Tätern aus dem sozialen Umfeld ist die Hemmschwelle zur Strafanzeige hoch. Aber durch eine Anzeige wird

  • der sexuelle Missbrauch aufgedeckt und beendet 
  • weiterer Missbrauch verhindert
  • der Täter zur Rechenschaft gezogen.

Kindliche Opfer von sexueller Gewalt können sich nicht selbst für ihre Rechte einsetzen und Hilfe in Anspruch nehmen. Deshalb brauchen sie die Unterstützung von uns Erwachsenen. Wir müssen die Aktivitäten zum Schutz der Kinder stellvertretend für diese jungen Opfer ausüben.

Bedenken Sie auch, dass die Leistungen nach dem neuen Sozialen Entschädigungsgesetz ohne eine Anzeige im Einzelfall möglicherweise versagt werden können.

 

Sollten Sie sich nicht sofort zu einer Anzeige entschließen können, machen Sie sich Notizen zu folgenden Punkten, die für eine spätere Strafanzeige wichtig sind, z.B.:
  • das Verhalten des Kindes
  • das Erzählte
  • eigene Beobachtungen
  • Zeugen oder deren Aussagen

Denken Sie auch daran, eine Ärztin oder einen Arzt einzuschalten.

 

Lassen Sie sich beraten:
  • Deutscher Kinderschutzbund e.V., Schiffgraben 29, 30159 Hannover, Telefon: 0511 304850
  • Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutzzentren, Spichernstr. 55, 50672 Köln, Telefon: 0221 569753
  • Jugendämter
  • Erziehungs- und Familienberatungsstellen
  • Spezielle Beratungsstellen, z. B. Wildwasser e.V.
  • Pro Familia, Stresemannallee 3, 60596 Frankfurt am Main, Telefon: 069 639002
  • Opferhilfeorganisationen, z. B. WEISSER RING
  • Polizeiliche Opferschutzbeauftragte
  • Fachdienststellen der Kriminalpolizei

 

Eine Liste von Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen können Sie auch anfordern bei

  • Donna Vita-Verlag, Postfach 5 - Post Husby, 24973 Ruhnmark, Telefon: 04634 1711

 

Ermitteln Sie nicht selbst!

Polizei

Strafanzeige

Jedermann kann bei allen Polizeidienststellen, bei einer Staatsanwaltschaft oder einem Gericht mündlich oder schriftlich eine Straftat anzeigen. Die Anzeige muss entgegengenommen werden, die Strafverfolgungsbehörden sind zur Erforschung des Sachverhalts gesetzlich verpflichtet.

Zur persönlichen Anzeigenerstattung werden vollständige Personalien benötigt (Vor-, Familien- und gegebenenfalls Geburtsname, Geburtstag und -ort, die Anschrift oder eine ladungsfähige Adresse).

Gegebenenfalls Strafantrag

Für einige Straftaten – so genannte "Antragsdelikte" wie beispielsweise Hausfriedensbruch, Beleidigung, Sachbeschädigung und einfache oder fahrlässige Körperverletzung – ist zur Strafverfolgung grundsätzlich ein schriftlicher Strafantrag des Geschädigten erforderlich. Die Polizei hat dafür entsprechende Formulare.

Der Strafantrag muss binnen drei Monaten ab Kenntnis von Tat und Täterin bzw. Täter gestellt werden. Körperverletzung und Sachbeschädigung zum Beispiel können jedoch auch ohne Strafantrag und sogar gegen den Willen der oder des Geschädigten verfolgt werden, wenn die Staatsanwaltschaft eine Strafverfolgung "wegen des besonderen öffentlichen Interesses" von Amts wegen für geboten hält. Als Geschädigte bzw. Geschädigter bleiben Sie in jedem Fall Zeuge des Verfahrens.

Aktenzeichen

Die Polizei führt Strafanzeige und Ermittlungsvorgang unter dem polizeilichen Aktenzeichen (auch "Tagebuchnummer", "Geschäftszeichen" genannt) und weist den Vorgang einer Sachbearbeiterin oder einem Sachbearbeiter zu.

Bei Anzeigenaufnahme durch die Polizei erhalten Sie auf Antrag eine Anzeigenbestätigung mit dem Aktenzeichen.

Dieses Aktenzeichen benötigen Sie beispielsweise bei weiterem Schriftverkehr, zur Nachreichung von Schadensaufstellungen, zum Nachweis der Anzeigenerstattung gegenüber Ihrer Versicherung oder für den Kontakt mit der polizeilichen Sachbearbeiterin oder dem polizeilichen Sachbearbeiter, die bzw. der Ihnen auch für Rückfragen zur Verfügung steht.

Die Staatsanwaltschaft erhält den Vorgang nach Abschluss der Ermittlungen und führt ihn dort unter ihrem eigenen Aktenzeichen, das Sie bei Bedarf von der Polizei erfahren.

Zeugenvernehmung

Eine erste Zeugenvernehmung erfolgt meist bei der Polizei. Dazu erhalten Sie von der Polizei eine Vorladung. Wenngleich keine gesetzliche Pflicht besteht, dieser Vorladung zu folgen, bedenken Sie bitte: Als Geschädigte bzw. Geschädigter sind Sie ein besonders wichtiger Zeuge, auf dessen Mithilfe Polizei und Staatsanwaltschaft angewiesen sind. Auch wenn Sie die Tat oder die Täterin bzw. den Täter nicht selbst beobachtet haben oder nicht kennen, können Sie am ehesten Auskunft über den Tatablauf und die Tatfolgen geben.

Vor Ihrer Zeugenvernehmung werden Sie über Ihre Rechte und Pflichten als Zeugin bzw. als Zeuge belehrt: unter anderem müssen Sie Fragen, durch deren Beantwortung Sie sich oder eine Angehörige oder einen Angehörigen belasten würden, nicht beantworten (Auskunftsverweigerungsrecht). Sie werden auch zur Wahrheit ermahnt und über die Folgen einer Falschaussage aufgeklärt.

Verstehen Sie diese Belehrung bitte nicht als Misstrauen, denn sie dient Ihrem Schutz und ist gesetzlich vorgeschrieben.

Zu Ihrer Zeugenvernehmung können Sie mit Einverständnis der Sachbearbeiterin oder des Sachbearbeiters eine Angehörige oder einen Angehörigen, eine andere Person Ihres Vertrauens, eine psychosoziale Prozessbegleitung oder eine Rechtsanwältin bzw. einen Rechtsanwalt als Begleitung mitbringen; lediglich Personen, die in derselben Sache Zeugen sind oder sein können, sollen bei Ihrer Vernehmung generell nicht anwesend sein.

Eine Kopie Ihrer protokollierten Zeugenaussage darf Ihnen die Polizei nicht überlassen. Wenn Sie eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in Anspruch nehmen, kann diese bzw. dieser bei der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht beantragen.

Sie können Ihre Aussage auch schriftlich einreichen. Lädt die Staatsanwaltschaft Sie zur Zeugenvernehmung vor, dann sind Sie verpflichtet, dieser Vorladung Folge zu leisten.  

Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht müssen bei den Ermittlungen und der Beweisaufnahme auf die Schutzbedürftigkeit von Opfern besondere Rücksicht nehmen.

Unter gewissen Voraussetzungen reicht zum Beispiel bei der Angabe der Personalien die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift, der Wohnort muss nicht angegeben werden. Bei Kindern als Opfer von Sexualdelikten und in anderen Fällen mit einem besonderen Schutzbedürfnis können Videovernehmungen durchgeführt werden, die dann eventuell eine Zeugenaussage in der Gerichtsverhandlung entbehrlich machen. Eine weitere Möglichkeit ist der Ausschluss der Öffentlichkeit während einer Zeugenaussage bei Gericht.

Ermittlungen, Beweiserhebung und -sicherung

Neben den "Personalbeweisen" wie Ihrer Zeugenaussage oder Sachverständigengutachten, sichert die Polizei bei ihren Ermittlungen auch "Sachbeweise" wie Finger- oder Werkzeugspuren, DNA- und Faserspuren, Dokumente, Datenträger, Screenshot, E-Mails oder Chatverläufe. Damit sollen Tatverdächtige ermittelt werden und ihnen den Tatvorwurf gerichtsverwertbar nachgewiesen werden. Die Ermittlungen dienen auch dazu, einen falschen Verdacht zu entkräften.

Als Opfer einer Straftat sind Sie verpflichtet, gegebenenfalls Beweismittel aus Ihrem Besitz (Gegenstände als Spurenträger) für die Dauer des Verfahrens  herauszugeben sowie sich Ihre Fingerabdrücke (als Vergleichsabdrücke zur Identifizierung tatrelevanter Spuren) abnehmen oder sich ärztlich untersuchen zu lassen – notfalls auf Anordnung von Staatsanwaltschaft oder Gericht auch gegen Ihren Willen.

Staatsanwaltschaft

Gegebenenfalls erneute Vernehmung der Zeugen

Die Staatsanwaltschaft ist "Herrin" des Ermittlungsverfahrens, sie kann daher beispielsweise Zeugen erneut vorladen und vernehmen. Einer staatsanwaltschaftlichen Vorladung müssen Sie -wie schon erwähnt- in jedem Fall nachkommen. Sie dürfen nicht unentschuldigt fernbleiben, sonst riskieren Sie, zwangsweise vorgeführt zu werden.

Im Ermittlungsverfahren kann auch die Ermittlungsrichterin bzw. der Ermittlungsrichter Zeugen vorladen und vernehmen. Die richterliche Vernehmung hat besonderen Wert, weil nur sie auch in der Hauptverhandlung verwendet werden darf, selbst wenn die Zeugin bzw. der Zeuge dort nicht mehr erscheinen kann oder sich auf das Zeugnisverweigerungsrecht beruft.

Gewinnabschöpfung / Geschädigteninteresse

Neben der Bestrafung der Täterin bzw. des Täters mit Geldstrafe sieht das Strafgesetzbuch auch die Einziehung von Vermögen vor, das aus Straftaten erlangt wurde ("Gewinnabschöpfung"). Sie wird durch Gerichtsbeschluss angeordnet, die Vermögenswerte gehen dann auf den Staat über.

Rechtsansprüche von Opfern gegen Täterinnen oder Täter, beispielsweise auf Schadensersatz, Schmerzensgeld oder Herausgabe von Sachen, haben gegenüber der "Gewinnabschöpfung" durch den Staat Vorrang.

Die Staatsanwaltschaft kann die Sicherstellung von Vermögenswerten aus der Tat beim Gericht beantragen (etwa durch Beschlagnahme).

Wegen der Sicherung Ihrer etwaigen Ansprüche als Opfer sollten Sie sich frühzeitig von einem Rechtsbeistand oder einer Organisation der Opferhilfe beraten lassen.

Einstellung des Verfahrens ohne Folgen

Die Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungsverfahren vorläufig ein, wenn keine Beschuldigte bzw. kein Beschuldigter ermittelt werden konnte. Sobald sich später neue Ermittlungsansätze ergeben oder Tatverdächtige bekannt werden, kann das Verfahren vor Ablauf der Verjährungsfrist jederzeit wieder aufgenommen werden.

Auch wenn eine Beschuldigte oder ein Beschuldigter ermittelt wurde, stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen sie oder ihn ohne weitere Folgen ein, falls sich doch noch die Unschuld erweist oder das Ermittlungsergebnis nicht genügend Anlass zur Erhebung der Anklage bietet (Beweisnot) oder die Schuld der Täterin oder des Täters als gering angesehen wird (Geringfügigkeit).

Einstellung des Verfahrens mit Folgen

Die Staatsanwaltschaft kann das Verfahren gegen eine Beschuldigte bzw. einen Beschuldigten unter bestimmten Auflagen oder Weisungen vorläufig einstellen.

Wenn diese binnen einer gesetzten Frist erfüllt werden, etwa der angerichtete Schaden wiedergut gemacht wird, Zahlung an eine gemeinnützige Organisation oder Arbeit für einen gemeinnützigen Zweck geleistet oder an einem Verkehrsunterricht oder einem "Täter-Opfer-Ausgleich" teilgenommen wird, stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren endgültig ein. Diese Art der Verfahrenseinstellung ist nur mit Zustimmung des Gerichts und der Beschuldigten bzw. des Beschuldigten möglich.

Täter-Opfer-Ausgleich

In einem "Täter-Opfer-Ausgleich", der nur mit Ihrem Einverständnis durchgeführt werden kann, wird über Mediatoren versucht, zwischen Opfer und Täterin bzw. Täter eine Wiedergutmachung zu erzielen. Der Ausgleich kann Ihnen als Opfer helfen, mit materiellen und seelischen Folgen der Tat besser fertig zu werden; der Täterin oder dem Täter kann dabei Strafmilderung oder Absehen von Strafe in Aussicht gestellt werden.

Ihnen als Opfer steht beim "Täter-Opfer-Ausgleich" stets ein erfahrener neutraler Vermittler zur Seite. Zunächst führt die Vermittlerin oder der Vermittler regelmäßig mit Ihnen und mit der Täterin bzw. dem Täter getrennte Gespräche, um die jeweiligen Erwartungen und Ziele zu klären und damit das Ausgleichsgespräch vorzubereiten. Eine Konfrontation mit der Täterin bzw. dem Täter ohne Begleitung und Unterstützung brauchen Sie dabei nicht zu befürchten.

Viele Opfer haben mit einem "Täter-Opfer-Ausgleich" gute Erfahrungen gemacht. Wenn Sie als Opfer daran interessiert sind, sollten Sie die Polizei oder die Staatsanwaltschaft darauf ansprechen.

Gericht in Strafsachen

Einstellung des Verfahrens

Auch nach Erhebung der öffentlichen Klage kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und der bzw. des Angeschuldigten das Verfahren

  • bis zum Beginn der Hauptverhandlung unter den Voraussetzungen, aufgrund derer es von Strafe absehen könnte, endgültig einstellen oder
  • bis zum Ende der Hauptverhandlung unter Auflagen oder Weisungen vorläufig einstellen, bis die Auflagen oder Weisungen erfüllt sind.

Strafbefehl ohne Hauptverhandlung

Wenn die Staatsanwaltschaft nach dem Ermittlungsergebnis eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich hält, beantragt sie einen Strafbefehl. Durch Strafbefehl dürfen nur bestimmte Rechtsfolgen der Tat festgesetzt werden, darunter beispielsweise Geldstrafe, Verwarnung mit Strafvorbehalt, Fahrverbot, Einziehung, Verfall oder Entziehung der Fahrerlaubnis mit einer Sperre von höchstens zwei Jahren sowie Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr mit Bewährung.

Geldstrafe

Eine der gängigsten Strafen im Strafbefehlsverfahren ist die Geldstrafe, die jedoch nicht dem Opfer zufließt. Zahlungen an das Opfer können im "Täter-Opfer-Ausgleich" vereinbart werden.

Freiheitsstrafe mit Bewährung

Im Strafbefehlsverfahren ist die Festsetzung einer Freiheitsstrafe nur dann möglich, wenn die oder der Angeschuldigte einen Verteidiger hat, die Freiheitsstrafe höchstens ein Jahr beträgt und ihre Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Täterin bzw. der Täter muss dann die Freiheitsstrafe nicht antreten, es sei denn, die Bewährung wird später widerrufen.

Einspruch der bzw. des Angeklagten gegen den Strafbefehl

Die oder der Angeklagte kann gegen den Strafbefehl bei dem Gericht, das ihn erlassen hat, binnen zwei Wochen Einspruch einlegen. Bei verspätetem Einspruch steht der Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleich. Wird dem Einspruch stattgegeben, kommt es zur Hauptverhandlung.

Nebenklage

Als Nebenkläger bzw. Nebenklägerin haben Sie aktiven Einfluss auf das Verfahren: Sie dürfen beispielsweise der Hauptverhandlung durchgehend beiwohnen, Sie oder Ihr Rechtsanwalt können Zeugen und Angeklagte befragen, Beweisanträge stellen oder Rechtsmittel einlegen. Die Erklärung, sich der öffentlichen Klage als Nebenkläger bzw. Nebenklägerin anschließen zu wollen, ist beim Gericht schriftlich einzureichen.

Die Voraussetzungen zur Zulassung als Nebenkläger bzw. Nebenklägerin finden Sie bei den Opferrechten.

Adhäsionsverfahren

Generell müssen aus einer Straftat erwachsene vermögensrechtliche Ansprüche gegen die Täterin bzw. den Täter, wie Schadensersatz oder Schmerzensgeld, bei Gericht in einem Zivilverfahren geltend gemacht werden.

Im Adhäsionsverfahren kann das Gericht direkt in der Hauptverhandlung zur Strafsache über solche Ansprüche entscheiden. Dazu ist ein Antrag des Opfers oder seiner Erben erforderlich. Weiterhin muss der oder die Beschuldigte mindestens 18 Jahre alt sein. Der Antrag kann schriftlich oder mündlich bis spätestens in der Hauptverhandlung gestellt werden.

Zur Eröffnung der Hauptverhandlung sind alle Beteiligten anwesend – Gericht, Staatsanwalt, Protokollführer, Angeklagte, gegebenenfalls Verteidiger, Geschädigte und sonstige geladene Zeugen, ggfs. das Opfer als Nebenkläger mit Rechtsbeistand und psychosozialer Prozessbegleitung sowie erforderlichenfalls Dolmetscher und Sachverständige.

Sobald die Anwesenheit der erforderlichen Beteiligten feststeht, müssen Sie als Zeuge den Verhandlungssaal bis zu Ihrer Vernehmung verlassen, sofern Sie nicht auch Nebenklägerin bzw. Nebenkläger sind.

Bei manchen Gerichten gibt es für die Wartezeit so genannte "Zeugenzimmer", in denen Sie betreut und von Verfahrensbeteiligten abgeschirmt werden können, denen Sie vielleicht nicht begegnen möchten. Fragen Sie rechtzeitig danach, die Polizei kann Ihnen bei der Kontaktaufnahme helfen!

Die Hauptverhandlung beginnt mit der Befragung zur Person der bzw. des Angeklagten sowie der Verlesung der Anklageschrift.

Öffentlichkeit

Gerichtsverhandlungen sind generell öffentlich. Eine Ausnahme bilden Strafsachen gegen Jugendliche bzw. Heranwachsende und Familiensachen.

Zum Schutz des persönlichen Lebensbereichs von Zeugen oder Opfern kann die Öffentlichkeit auf Antrag der oder des Betroffenen zeitweise ausgeschlossen werden, beispielsweise wenn belastende Einzelheiten über den Gesundheitszustand, die Intimsphäre oder das Familienleben zur Sprache kommen.

Auch der Schutz berechtigter Interessen an Geschäfts-, Betriebs- oder Steuergeheimnissen, sowie zu befürchtende Gefahren für Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit etwa der Zeugin oder des Zeugen gestatten den Ausschluss der Öffentlichkeit.

Über einen Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit entscheidet das Gericht.

Vernehmung der bzw. des Angeklagten

Nach Verlesung der Anklage wird die bzw. der Angeklagte von der vorsitzenden Richterin oder dem vorsitzenden Richter über die Rechte und Pflichten belehrt. Die bzw. der Angeklagte kann sich zum Tatvorwurf äußern, muss es aber nicht tun. Will sie oder er sich äußern, wird sie bzw. er erst von der oder dem Vorsitzenden, dann gegebenenfalls von Schöffen und Beisitzern, schließlich von der Staatsanwältin oder dem Staatsanwalt und eventuell von der Verteidigung befragt.

Sofern Sie nicht nur Zeuge, sondern auch Nebenklägerin oder Nebenkläger sind, können Sie oder Ihr Rechtsanwalt der bzw. dem Angeklagten ebenfalls Fragen stellen.

Beweisaufnahme

Nach der Vernehmung der oder des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme: Dem Gericht werden dabei alle bedeutsamen Tatsachen und Beweismittel, die der Wahrheitsfindung dienen, mündlich und unmittelbar vorgestellt, weil sie andernfalls nicht in das Urteil einfließen dürfen.

Daher müssen in der Hauptverhandlung alle entscheidungsrelevanten Sach- und Personalbeweise aus dem Ermittlungsverfahren noch einmal vorgetragen werden, also beispielsweise auch Ihre Zeugenaussage.

Ladung / Teilnahmeverpflichtung

Der Ladung zum Termin der Hauptverhandlung müssen Sie in jedem Fall folgen und persönlich erscheinen, übrigens auch dann, wenn Sie schon einmal ausgesagt haben. Selbst wenn Sie meinen, nichts Neues oder Wichtiges zum Verfahren beitragen zu können.

Ihr Fernbleiben wird nur durch dringende Gründe entschuldigt, beispielsweise durch eine ernsthafte Erkrankung, die durch ein ärztliches Attest nachzuweisen ist. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ("gelber Schein") allein reicht nicht aus! Ob eine Urlaubsreise als dringender Grund anerkannt wird, entscheidet das Gericht im Einzelfall.

Geben Sie den dringenden Grund, der Ihr Erscheinen zum Termin behindert, dem Gericht frühestmöglich – gegebenenfalls telefonisch – bekannt; die Telefonnummer und das Aktenzeichen finden Sie auf Ihrer Ladung.

Erst wenn das Gericht Ihre Entschuldigung anerkennt und Ihnen ausdrücklich erlaubt, nicht zu erscheinen, dürfen Sie dem Termin fernbleiben.

Bei unentschuldigtem Fernbleiben können Ihnen die Kosten für den Termin (Fahrtkosten, Anwaltshonorare, Verdienstausfall anderer Zeugen etc.) und ein Ordnungsgeld von bis zu 500 Euro auferlegt werden, für das Sie bei Nichtzahlung sogar in Haft genommen werden können. Außerdem droht Ihnen zum neuen Termin der Hauptverhandlung eine polizeiliche Vorführung.

Zeuge vor Gericht

Sofern Sie nicht auch Nebenklägerin bzw. Nebenkläger sind, werden Sie als Zeugin bzw. Zeuge in der Hauptverhandlung erst wieder zur Beweisaufnahme aufgerufen. Bei manchen Gerichten gibt es für die Wartezeit die bereits erwähnten "Zeugenzimmer".  

Die Zeugenvernehmung in der Hauptverhandlung wird Ihnen förmlicher erscheinen als die polizeiliche oder staatsanwaltschaftliche Vernehmung im Ermittlungsverfahren. Lassen Sie sich davon nicht beeindrucken oder beunruhigen!

Ihre Rechtsanwältin bzw. Ihr Rechtsanwalt und auch die psychosoziale Prozessbegleitung dürfen bei Ihrer Vernehmung anwesend sein.  

Viele Zeugen sind unsicher, weil sie noch nie vor Gericht ausgesagt haben und dabei mit einer unbekannten Situation konfrontiert sind. Bei vielen Gerichten gibt es die Möglichkeit, vorab mit der Zeugenbetreuungsstelle, einen Gerichtssaal zu besichtigen und sich die Abläufe erklären zu lassen. Dies ist auch durch eine psychosoziale Prozessbetreuung möglich, wenn diese beigeordnet wurde. Fragen Sie nach einer solchen Möglichkeit.

Vernehmung in der Hauptverhandlung

Ihre Zeugenvernehmung beginnt mit der Belehrung über Ihre Pflichten und Rechte durch die vorsitzende Richterin bzw. den vorsitzenden Richter.

Als Zeugin oder Zeuge sind Sie schon bei Ihren Angaben zur Person, erst recht bei der Aussage zur Sache, zur Wahrheit verpflichtet. Sie dürfen Nichts bewusst weglassen oder hinzuerfinden. Auch ohne Beeidigung, über deren Bedeutung Sie ebenfalls belehrt werden, sind Falschaussagen vor Gericht strafbar!

Sie dürfen auch die Auskunft auf Fragen verweigern, deren Beantwortung Sie selbst oder einen nahen Angehörigen in die Gefahr der Strafverfolgung bringen könnte (Auskunftsverweigerungsrecht).

Ein vollständiges Zeugnisverweigerungsrecht haben Sie dann, wenn Sie ein naher Verwandter der oder des Angeklagten sind.

Nach der Belehrung werden Sie erst zu Ihrer Person (Name, Alter, Familienstand, Beruf, Wohnort, Verwandtschaftsverhältnis zu der bzw. dem Angeklagten) und dann zur Sache befragt.

Dabei erzählen Sie zunächst im Zusammenhang, was Sie zum Sachverhalt wissen. Wenn Sie sich an etwas nicht mehr genau erinnern, sollten Sie das unbesorgt sagen. Sie können zur Auffrischung Ihrer Erinnerung oder zur Klärung von Widersprüchen auch um Verlesung früherer Aussagen bitten. Danach werden Sie gegebenenfalls vom Gericht, von der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung ergänzend befragt.

Wenn Sie sehr aufregt sind, an der Zulässigkeit oder der Formulierung einer Frage zweifeln oder eine Pause benötigen, wenden Sie sich unbesorgt an die vorsitzende Richterin oder den vorsitzenden Richter. Das Gericht ist auch zu Ihrem Schutz da!

Weitere Informationen zu Ihren Rechten finden Sie unter Opferrechte.

Freispruch

Wenn der oder dem Angeklagten die Tat nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nicht nachzuweisen ("Im Zweifel für den Angeklagten") oder sie bzw. er unschuldig ist, ergeht ein freisprechendes Urteil.

Verwarnung mit Strafvorbehalt

Der bzw. dem Angeklagten ist die Tat -als Ergebnis der Hauptverhandlung- nachgewiesen. Das Gericht ist der Überzeugung, die bzw. der Angeklagte werde zukünftig keine Straftaten mehr begehen und sieht daher von einer Verurteilung zu einer Strafe ab, kann aber im Urteil eine Verwarnung mit Strafvorbehalt aussprechen. Durch das Urteil wird die bzw. der Angeklagte schuldig gesprochen, dabei jedoch lediglich verwarnt. Die eigentliche Strafe (Geldstrafe) bleibt ein bis drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

Geldstrafe

Wenn der bzw. dm Angeklagten die Tat nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nachgewiesen ist, kann sie bzw. er zu einer Geldstrafe zwischen fünf und dreihundertsechzig Tagessätzen verurteilt werden, sofern das Gesetz für die Tat neben Freiheitsstrafe auch "Geldstrafe" androht. Die Höhe des Tagessatzes richtet sich nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der oder des Angeklagten. Die Geldstrafe fließt nicht dem Opfer zu, Zahlungen an das Opfer können z. B. im "Täter-Opfer-Ausgleich" vereinbart werden.

Freiheitsstrafe mit Bewährung

Wenn der oder dem Angeklagten die Tat nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nachgewiesen ist, kann sie oder er zu Freiheitsstrafe verurteilt werden. Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr werden im Allgemeinen, solche bis zu zwei Jahren ausnahmsweise für zwei bis fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt; die oder der Verurteilte braucht die Strafe also nicht anzutreten. Die Bewährung kann unter Auflagen oder Weisungen gewährt werden, beispielsweise den angerichteten Schaden wiedergutzumachen, Zahlung an eine gemeinnützige Organisation oder die Staatskasse zu leisten oder an einem "Täter-Opfer-Ausgleich" beziehungsweise einem Verkehrsunterricht teilzunehmen.

Freiheitsstrafe ohne Bewährung

Wenn der oder dem Angeklagten die Tat nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nachgewiesen ist, kann er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden. Freiheitsstrafen über zwei Jahre sind nicht zur Bewährung auszusetzen, die oder der Verurteilte muss die Strafe also antreten, sobald sie bzw. er dazu geladen wird.

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