Rechts­ex­tre­mis­mus - eine Gefahr mit vielen Facetten

Rechts­ex­tre­mis­ti­sche Einstellungen existieren in allen Be­völ­ke­rungs­grup­pen sowie ge­sell­schaft­li­chen Schichten. Obwohl sie in allen Altersgruppen vorkommen, stehen meist junge Menschen im Blickpunkt der öffentlichen Wahrnehmung. Neben rechts­ex­tre­mis­ti­schen Parteien sind auch weitere Or­ga­ni­sa­tio­nen, Ka­me­rad­schaf­ten und an­ti­de­mo­kra­ti­sche Theoretiker, die so genannte „in­tel­lek­tu­el­le neue Rechte“, aktiv, wobei zwischen den Beteiligten ein reger Austausch stattfindet.

Rechts­ex­tre­mis­mus - eine Gefahr mit vielen Facetten

Rechts­ex­tre­mis­ti­sche Einstellungen existieren in allen Be­völ­ke­rungs­grup­pen sowie ge­sell­schaft­li­chen Schichten. Obwohl sie in allen Altersgruppen vorkommen, stehen meist junge Menschen im Blickpunkt der öffentlichen Wahrnehmung. Neben rechts­ex­tre­mis­ti­schen Parteien sind auch weitere Or­ga­ni­sa­tio­nen, Ka­me­rad­schaf­ten und an­ti­de­mo­kra­ti­sche Theoretiker, die so genannte „in­tel­lek­tu­el­le neue Rechte“, aktiv, wobei zwischen den Beteiligten ein reger Austausch stattfindet.

Bundesweit sind insgesamt die Mit­glie­der­zah­len bei rechts­ex­tre­mis­ti­schen Parteien, Neonazis sowie subkulturell geprägten Rechts­ex­tre­mis­ten nach Abzug von Mehr­fach­mit­glied­schaf­ten wieder steigend und bei den ge­walt­be­rei­ten Rechts­ex­tre­mis­ten leicht steigend. Unter Be­rück­sich­ti­gung des Ge­samt­per­so­nen­po­ten­zi­als ist mehr als jeder zweite Rechts­ex­tre­mist als gewaltbereit einzustufen. Das herkömmliche Klischee vom Skinhead mit Bomberjacke und Sprin­ger­stie­feln spiegelt dabei nur noch bedingt die Wirklichkeit wider. Auch ist ein geringer Teil der sogenannten „Reichsbürger“ und „Selbst­ver­wal­ter“ dem Rechts­ex­tre­mis­mus zuzuordnen.

Aktuelle Zahlen und weitere Fakten zum Rechts­ex­tre­mis­mus in Deutschland stellt das Bundesamt für Ver­fas­sungs­schutz zur Verfügung.

Die So­zi­al­wis­sen­schaf­ten bieten zahlreiche theoretische Er­klä­rungs­an­sät­ze, um das Phänomen rechts­ex­tre­mis­ti­scher Einstellungen zu erklären. Ein Ansatz ist zum Beispiel das Konzept der „Grup­pen­be­zo­ge­nen Men­schen­feind­lich­keit“. Dieses Konzept basiert auf einer Lang­zeit­stu­die, bei denen ein re­prä­sen­ta­ti­ver Be­völ­ke­rungs­aus­schnitt zu Themen befragt wurde, die in Zusammenhang mit dem Phänomen des Rechts­ex­tre­mis­mus stehen.

 

Anhand folgender zwölf Elemente zeigt sich eine "Grup­pen­be­zo­ge­ne Men­schen­feind­lich­keit":

  • Rassismus (Vorurteil, das Menschen aufgrund von äußeren Merkmalen in Rassen aufteilt und diese un­ter­schied­lich bewertet),
  • Frem­den­feind­lich­keit (feindselige Einstellung gegenüber Personen oder Gruppen, die als fremd angesehen werden),
  • An­ti­se­mi­tis­mus (rassistisch begründete Einstellung gegenüber Juden als Person oder Gruppe),
  • Abwertung homosexueller Menschen,
  • Abwertung wohnungsloser Menschen,
  • Abwertung behinderter Menschen,
  • Abwertung lang­zeit­ar­beits­lo­ser Menschen,
  • Abwertung asylsuchender Menschen,
  • Abwertung von Sinti und Roma,
  • Is­lam­feind­lich­keit (generell ablehnende Einstellung gegenüber muslimischen Personen und allen Glau­bens­rich­tun­gen, Symbolen und religiösen Praktiken des Islam),
  • Eta­blier­ten­vor­rech­te (Leugnung der Gleich­wer­tig­keit aller Menschen und Behauptung, es gebe Rangfolgen, die bei­spiels­wei­se Alt­ein­ge­ses­se­ne über die neu Hin­zu­ge­kom­me­nen stellt),
  • klassischer Sexismus (ge­schlechts­dis­kri­mi­nie­ren­de Vorstellungen in der Bevölkerung).


Ein Hauptproblem des Zu­sam­men­wir­kens der verschiedenen Elemente besteht in der schleichenden „Vergiftung“ eines liberalen Klimas. Dies äußert sich in abwertenden Meinungen, die von wachsenden Teilen der Bevölkerung geteilt werden. Oftmals versuchen rechts­ex­tre­mis­tisch motivierte Straftäter ihr Handeln mit dem Argument zu rechtfertigen, man setze doch nur um, „was alle anderen denken“. Manifest wird die damit einhergehende Gefahr immer dann, wenn größere Teile der Bevölkerung einzelnen der genannten Aspekte zustimmen (was in den bisherigen Befragungen festgestellt werden musste).

Eine Mitt­ler­stel­lung zwischen den kaum organisierten Kleingruppen und den Parteien des rechts­ex­tre­men Spektrums kommt den so genannten „Ka­me­rad­schaf­ten“ zu. Diese streng hierarchisch aufgebauten Gruppen sehen sich als politische Wi­der­stands­be­we­gung, die mit „ka­me­rad­schaft­li­chen“ Aktivitäten den Zusammenhalt zwischen jungen Menschen stärken und politische Arbeit leisten will. Aussteiger dieser Zirkel rücken diese „Ka­me­rad­schaf­ten“ jedoch in ein anderes Licht. So wird bei­spiels­wei­se Kritik in Wahrheit nicht zugelassen bzw. gewaltsam unterdrückt. Auf der Ebene der Ka­me­rad­schafts­füh­rung ist von einer bundesweiten, wenn nicht sogar in­ter­na­tio­na­len Vernetzung auszugehen. Gleichzeitig traten führende Ka­me­rad­schafts­ak­ti­vis­ten in rechts­ex­tre­mis­ti­sche Parteien ein, was auch zu einem Ver­jün­gungs­pro­zess rechter Parteikader führte. Der Einstieg über die „Kameradschaft“ eröffnet also „Kar­rie­re­mög­lich­kei­ten“ innerhalb der rechts­ex­tre­mis­ti­schen Szene bzw. Par­tei­en­land­schaft.

Mit Ausnahme der rechts­ex­tre­mis­ti­schen Parteien wird im rechts­ex­tre­mis­ti­schen Spektrum in aller Regel bewusst auf or­ga­ni­sa­to­ri­sche Strukturen verzichtet, um Ver­eins­ver­bo­te und straf­recht­li­che Ermittlungen zu erschweren. Die Funk­ti­ons­fä­hig­keit dieser Gruppen ist dabei, aufgrund der räumlichen Nähe der Mitglieder und ihrer relativ geringen Zahl, auch ohne festgefügte Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren möglich. Die im Jahr 2012 aus­ge­spro­che­nen Ver­eins­ver­bo­te haben in der rechten Szene allerdings zu Überlegungen über geeignetere Or­ga­ni­sa­ti­ons­mo­del­le geführt.

Nach einer neuen strategischen Ausrichtung sucht ein be­trächt­li­cher Teil der Neonazis den Schutz des Par­tei­en­pri­vi­legs des Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz. Demnach kann nur das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt im Rahmen eines Par­tei­ver­bots­ver­fah­rens über die Ver­fas­sungs­wid­rig­keit einer Partei entscheiden. Vorreiter in diesem Zusammenhang sind Neonazis aus Nord­rhein-West­fa­len. Ehemalige Füh­rungs­ak­ti­vis­ten und Mitglieder der im Jahr 2012 verbotenen neo­na­zis­ti­schen Ka­me­rad­schaf­ten sind nicht nur dem neu gegründeten nord­rhein-west­fä­li­schen Landesverband der Partei „DIE RECHTE“ beigetreten, sondern dominieren ihn ganz eindeutig. Die Nutzung des Lan­des­ver­bands als Auffangbecken für ehemalige Mitglieder der verbotenen Vereinigungen hat die Wirkung der Ver­eins­ver­bo­te zumindest abgeschwächt.

Die rechte Szene tritt öffentlich in der Regel in der Form von De­mons­tra­tio­nen, Mahnwachen oder Kundgebungen auf. Ein Gradmesser der Aktivität der rechten Szene ist neben den Fallzahlen der Politisch motivierten Kriminalität die Anzahl der be­kannt­ge­wor­de­nen de­mons­tra­ti­ven Aktionen und deren öffentliche Wirkung.

Die Szene versammelt sich regelmäßig bei Ver­an­stal­tun­gen zu Gedenktagen von über­re­gio­na­ler Bedeutung - das Rhein­wie­sen­la­ger in Remagen oder der Jahrestag der Bombardierung Dresdens sind bei­spiels­wei­se Anlässe, zu denen jährlich mehrere hundert Rechts­ex­tre­mis­ten aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland auf­mar­schie­ren. Hinzu kommen deutsch­land­weit Ver­an­stal­tun­gen, die sich regionalen Themen widmen. Viele dieser Ver­an­stal­tun­gen locken nur eine Handvoll oder mehrere Dutzend Teilnehmer an, entsprechend un­ter­schied­lich sind das Me­di­en­in­ter­es­se und die allgemeine öffentliche Auf­merk­sam­keit.  

 

Ventil für Frustration

Die Zunahme von Flüchtlingen, Asylsuchenden und Ar­beits­mi­gran­ten in den vergangen Jahren hat zu einem verstärkten öffentlichen Diskurs über das Thema Zuwanderung geführt. Das Thema Islamisierung wird mit „in einen Topf geworfen“. Die rechte Szene nimmt die Debatte dankbar auf und nutzt eine vermeintliche „Islamisierung des Abendlandes“ als Ansatzpunkt, um Ängste und Ressentiments innerhalb der Bevölkerung zu schüren. Teile der Bevölkerung fühlen sich bei diesem Thema von den Re­gie­rungs­par­tei­en nicht repräsentiert und haben seit der zweiten Jahreshälfte 2014 in den regelmäßigen Gro­ß­de­mons­tra­tio­nen gegen Islamisierung und Zuwanderung ein Ventil für ihre Frustration gefunden.

Die rechte Szene nutzt diese Anlässe vermehrt, um auch außerhalb des extrem rechten Spektrums sze­ne­über­grei­fend Anschluss zu finden. Zudem bieten derartige Ver­an­stal­tun­gen einen Resonanzraum, um rechts­ex­tre­mis­ti­sche Inhalte der breiten Öf­fent­lich­keit nahe zu bringen, ohne einen direkten Bezug zur extrem rechten Szene offen zu legen. Die darin liegende Gefahr beschreibt der Bielefelder Ge­walt­for­scher Prof. Dr. Andreas Zick im Berliner „Tagesspiegel“ mit den Worten: „Die men­schen­feind­li­che Stimmung führt nicht automatisch zu Taten, aber sie motiviert gewaltbereite Personen und Gruppen und wird von den Tätern zur Recht­fer­ti­gung herangezogen“. (Tagesspiegel online 10.02.2015)

 

Öf­fent­lich­keits­wirk­sa­me Aktivitäten

Neben Un­ter­wan­de­rungs­be­stre­bun­gen bei öf­fent­lich­keits­wirk­sa­men rechts­po­pu­lis­ti­schen Strömungen und Or­ga­ni­sa­tio­nen setzt die extrem rechte Szene auch zunehmend auf teilweise bis zur Schikane gesteigerte Aktionen, um aufzeigen, dass man nicht machtlos gegenüber vermeintlich dis­kri­mi­nie­ren­den polizeilichen Anordnungen ist. Dabei wird im Rahmen des Ver­samm­lungs­rechts bewusst eine Vielzahl kleiner aber polizeilich per­so­nal­in­ten­si­ver Einsätze provoziert.

Über öf­fent­lich­keits­wirk­sa­me Aktivitäten werden Vorurteile über Einwanderer und Minderheiten verbreitet. Dabei beschränken sich die Akteure der rechten Szene meist auf legale Aktionen, um eine straf­recht­li­che Verfolgung und die damit verbundene negative Publizität zu vermeiden. Trotzdem bleibt eine grundsätzlich aggressiv kämpferische Grundhaltung bestehen. Diese zeigt sich bei­spiels­wei­se in Ein­schüch­te­rungs­ver­su­chen von Po­li­zei­be­am­ten, die als politische Feinde wahrgenommen werden.

Wer ein Symbol einer ver­fas­sungs­wid­ri­gen Organisation öffentlich zur Schau stellt, macht nicht nur für sie selbst Werbung, sondern bewirbt auch ihre Ziele. Für die Symbole des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus gilt dies im Besonderen, zumal es sich in der Regel um verbotene Zeichen handelt und der Träger sich zudem strafbar macht. Zu nennen sind hier vor allem Symbole, die das Hakenkreuz beinhalten, wie zum Beispiel die "Standarte des Führers" oder das "Par­tei­ab­zei­chen":

Eine wesentliche Quelle von Zeichen, die durch Rechtsextreme umgedeutet werden, sind germanische Runen und Symbole. Viele dieser Zeichen spielten schon im Dritten Reich eine Rolle oder wurden anschließend als Symbole rechts­ex­tre­mer Parteien und Or­ga­ni­sa­tio­nen verboten. Einige sind dagegen nur in bestimmten Zu­sam­men­hän­gen verboten. Dies betrifft bei­spiels­wei­se die Odal- und die Gibor-Rune ("Wolfsangel"), die auch anderswo Verwendung finden (wie bei­spiels­wei­se die Odal-Rune als Kopfwinkel bei der Bundeswehr).

Bei manchen rechts­ex­tre­mis­ti­schen Er­ken­nungs­zei­chen ist es schwierig, eine rechts­ver­bind­li­che Aussage zur möglichen Strafbarkeit zu treffen, da sich sowohl Symbole als auch die Recht­spre­chung hierzu fortlaufend wei­ter­ent­wi­ckeln. So ist bei­spiels­wei­se das Zeigen der Odalrune grundsätzlich strafbar, soweit sich aus den Umständen nicht eindeutig ergibt, dass der Schutzzweck der Norm nicht berührt wird (siehe OLG München, Urteil vom 16.7.2015, Az. 5 OLG 13 Ss 247/15). Das Zeigen der Odalrune ist damit für den "normalen Bürger" ohne Kennzeichnung einer Ablehnung grundsätzlich verboten.

Ebenfalls germanischer Herkunft sind bei­spiels­wei­se „Thors Hammer“ und die „Schwarze Sonne“. Während Thors Hammer in verschiedenen Ju­gend­kul­tu­ren verbreitet ist, die keinen rechts­ex­tre­mis­ti­schen Bezug aufweisen, ist die Schwarze Sonne in direktem Zusammenhang mit Heinrich Himmler (Reichsführer der SS) und dem Ober­grup­pen­füh­rer­saal der Wewelsburg, einer na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Kultstätte, zu sehen.


Musik ist oft De­fi­ni­ti­ons­grund­la­ge für eine bestimmte Jugendkultur. Bei der Skin­head-Ju­gend­kul­tur ist eine Definition allerdings schwieriger, da sich seit Ende der 1960er Jahre verschiedene Strömungen her­aus­ge­bil­det haben. Den Anfang der Skin­head-Mu­sik bildet SKA, dem Reggae nicht unähnlich und mit einer Betonung der Blechbläser. Diese Musik steht für die unpolitischen und mul­ti­kul­tu­rel­len Wurzeln der Skin­head-Be­we­gung. Ende der 1970er Jahre kam ein neuer Trend hinzu, der später unter der Bezeichnung „RAC“ („Rock Against Communism; Rock gegen Kommunismus“) bekannt wurde (bzw. „Rechtsrock“ oder „White Noise“). Musikalisch dem Punk verwandt, aber mit tieferem, martialisch klingendem Gesang, steht diese Entwicklung für die Absicht von Ian Stuart Donaldson und seiner Band „Skrewdriver“, eine rechts­ex­tre­mis­ti­sche Gegenbewegung zu den als links geltenden Punks zu etablieren.

Im Laufe der Zeit entwickelten sich neue Stile, die sich anderer musikalischer Traditionen bedienten. So wurden insbesondere aus dem Hard­core-Be­reich Merkmale übernommen und mit ex­tre­mis­ti­schen Texten kombiniert. Aber auch andere musikalische Genres und die dazugehörigen Ju­gend­kul­tu­ren werden mittlerweile durch Rechts­ex­tre­mis­ten genutzt. So gibt es in der rechts­ex­tre­mis­ti­schen Musikszene - entsprechend der verschiedenen "rechten" Subkulturen - ein breites Spektrum an Stil­rich­tun­gen: Skin­head-Mu­sik, NS-Black Metal, NS-Hatecore, Neofolk, NS-HipHop, NS-Techno, Liedermacher. Rechts­ex­tre­mis­ti­sche Musik ist somit nicht homogen. Haupt­strö­mun­gen sind vor allem die Musik von rechts­ex­tre­mis­ti­schen Skin­head-Bands und Liedermachern. Neben rassistischen, aus­län­der­feind­li­chen, an­ti­se­mi­ti­schen und na­tio­na­lis­ti­schen Inhalten werden auch vermehrt soziale Missstände und der Kampf gegen das bestehende politische System thematisiert.

Musik allein ist nicht das Eintrittstor in die rechts­ex­tre­mis­ti­sche Szene. Dennoch ist rechts­ex­tre­mis­ti­sche Musik als Trägermedium rechts­ex­tre­mis­ti­schen Gedankenguts von großer Bedeutung um Nachwuchs zu ködern und die Ideologie zu festigen. Vor allem die Na­tio­nal­de­mo­kra­ti­sche Partei Deutschlands (NPD) bzw. ihre Ju­gend­or­ga­ni­sa­ti­on Junge Na­tio­nal­de­mo­kra­ten (JN) und Angehörige der Neonazi-Szene versuchten in der Vergangenheit immer wieder, durch Ver­teil­ak­tio­nen von so genannten „Schulhof-CDs“ an Schulen und Ju­gend­ein­rich­tun­gen gezielt Nachwuchs zu gewinnen.

Beim Vertrieb von rechts­ex­tre­mis­ti­scher Musik spielt das Internet eine bedeutende Rolle. In einschlägigen Internetshops, die sich von Aufmachung und Bedienbarkeit nicht von anderen kommerziellen Internetshops unterscheiden, werden eine Vielzahl von Tonträgern, aber auch direkte Mu­sik­down­loads angeboten. In Deutschland registrierte Anbieter handeln dabei in der Regel mit nicht straf­recht­lich relevanten Musikinhalten. Straf­recht­lich relevante oder indizierte Tonträger, die sich in Deutschland nicht auf gewöhnlichen Ver­triebs­we­gen absetzen lassen, werden gezielt „unter der Hand“ oder auch im Internet über das Ausland angeboten und bestellt. Dabei gilt das Verbot eines Textes oder gar einer ganzen CD oft als „Gütesiegel“.

Das Internet hat für die rechts­ex­tre­mis­ti­sche Szene her­aus­ra­gen­den Stellenwert. Die Zahl der von deutschen Rechts­ex­tre­mis­ten betriebenen Homepages bewegt sich mit etwa 1.000 Seiten seit Jahren auf konstant hohem Niveau. Inzwischen sind alle wesentlichen rechts­ex­tre­mis­ti­schen Or­ga­ni­sa­tio­nen und Ka­me­rad­schaf­ten mit eigenen Webseiten im Internet vertreten. Auch Parteien wie die NPD haben den Stellenwert eines In­ter­net­auf­trit­tes erkannt und betreiben technisch hochwertige Homepages.

Rechts­ex­tre­mis­ten nutzen zunehmend die interaktiven Möglichkeiten des Web 2.0, indem sie ihr Gedankengut über grundsätzlich unpolitische Plattformen wie TikTok und Instagram, aber auch Facebook oder YouTube verbreiten. Nach und nach gewinnen aber auch szeneinterne Foren und Netzwerke an Bedeutung. Dem allgemeinen Trend folgend, nutzen Rechts­ex­tre­mis­ten auch das Potenzial des Kurz­nach­rich­ten­diens­tes Twitter und informieren so z.B. über aktuelle De­mons­tra­tio­nen und Ver­an­stal­tun­gen. Insbesondere in Chatforen führen Rechts­ex­tre­mis­ten oft her­ab­wür­di­gen­de Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit ihren „politischen Gegnern“. Sie stellen Kom­mu­nal­po­li­ti­ker, „linke“ Aktivisten und Polizisten an den Pranger, um sie ein­zu­schüch­tern. Teilweise ver­öf­fent­li­chen sie „Schwarze Listen“ von Gegnern mit Per­so­nen­be­schrei­bun­gen, Adressen und Bildern.

Die Bandbreite rechts­ex­tre­mis­ti­scher Propaganda im Internet ist groß. Bei manchen Webauftritten werden unverhohlen strafbare Inhalte verbreitet, bei anderen allerdings ist der rechts­ex­tre­mis­ti­sche Hintergrund nicht auf Anhieb erkennbar: Sie tarnen sich seriös als Ak­ti­ons­bünd­nis oder Bür­ger­initia­ti­ve, um auf diese Weise ihr Gedankengut zu verbreiten, oder greifen ge­sell­schaft­lich bedeutende Themen wie Umweltschutz oder Ar­beits­lo­sig­keit auf.

Darüber hinaus bedienen rechts­ex­tre­mis­ti­sche Online-Shops die starke Nachfrage nach ent­spre­chen­den Tonträgern, Kleidung, Druckerzeug­nis­sen, Schmuck und ähnlichem. Die In­ter­net­prä­senz der Sze­ne­ver­trie­be ist auf dem aktuellen technischen Stand und unterscheidet sich kaum noch vom On­line-An­ge­bot kommerzieller Versandhäuser.

Seit einigen Jahren gibt es immer mehr Sze­ne-In­ter­ne­t­ra­di­os, in denen Rech­t­ex­tre­mis­ten als Ad­mi­nis­tra­to­ren und Moderatoren rund um die Uhr eigene Kommentare und Musiktitel deutscher und in­ter­na­tio­na­ler Skin­head-Bands verbreiten. Die Homepages bieten häufig noch weitere Angebote wie Chats und Dis­kus­si­ons­fo­ren, die jedoch meist an­mel­de­pflich­tig sind. Das Pro­gramm­an­ge­bot besteht überwiegend aus rechts­ex­tre­mis­ti­scher Musik. Gelegentlich werden auch indizierte bzw. strafbare Titel gespielt. Als Wortbeiträge werden An­mo­de­ra­tio­nen für Musiktitel, Interviews mit Rechts­ex­tre­mis­ten (z.B. Band­mit­glie­dern), Kommentare oder Kritiken zu CDs sowie gelegentlich Werbung für Konzerte, De­mons­tra­tio­nen, Vertriebe und CDs gesendet.

In der rechts­ex­tre­mis­ti­schen Szene ist insgesamt eine nachhaltige Veränderung im Umgang mit Informationen, Nachrichten und Medien festzustellen: Es entstehen neue Anlaufpunkte, Akteure und dynamische Strukturen. Als „Gegenpol“ zu vermeintlich zwangs­fi­nan­zier­ten „Staatsmedien“ oder der „Lügenpresse“ werden alternative In­for­ma­ti­ons­ka­nä­le etabliert, mit denen Falsch­mel­dun­gen, Ver­schwö­rungs­theo­ri­en und Des­in­for­ma­tio­nen verbreitet werden. Anonyme Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel und -wege entwickeln sich dynamisch und mit großer Reichweite. Zudem besteht durch On­line-Echo­kam­mern die Gefahr einer individuellen Ra­di­ka­li­sie­rung.

Noch immer findet der ju­gend­kul­tu­rell geprägte Rechts­ex­tre­mis­mus in der Presse die größte Resonanz. Dem Bild des glatzköpfigen jungen Mannes mit Bomberjacke und Sprin­ger­stie­feln begegnet man in der Realität dabei immer seltener. Denn erstens gibt es Skinheads mit anderen politischen Ori­en­tie­run­gen (neutral bis hin zu linksextrem), zweitens sind auch in anderen Ju­gend­kul­tu­ren rechts­ex­tre­mis­ti­sche Tendenzen zu verzeichnen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Gothic- und die Black-Me­tal-Sze­ne - ja selbst im Hip-Hop- und Tech­no-Be­reich wurde bereits Einschlägiges beobachtet. Dies geschieht zum Teil durch das gezielte Unterwandern der ursprünglich unpolitischen Subkulturen und anderer Jugendszenen durch Rechts­ex­tre­mis­ten.

Ebenso gibt es seitens der Rechts­ex­tre­mis­ten Bestrebungen, in ge­walt­be­rei­ten Fangruppen der Fußballszene Einfluss zu gewinnen. Die rechts­ex­tre­mis­ti­sche Szene organisiert örtlich auch spezielle Er­leb­nis­an­ge­bo­te für Jugendliche, wie Konzerte, Sonn­wend­fei­ern, jährliche Gedenktage etc. Diese und andere Ge­mein­schafts­ver­an­stal­tun­gen zielen auf das Bedürfnis der Jugendlichen nach Zusammenhalt, Ge­mein­schafts­ge­fühl und Anerkennung. Rechtsextreme Ideologien stehen dabei zunächst noch im Hintergrund.

 

Rechts­ex­tre­mis­ti­sche Subkulturen unterliegen einer starken Fluktuation.

Es gibt in der Regel weder feste Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren noch formelle Mit­glied­schaf­ten. Bevorzugt werden lockere Zu­sam­men­schlüs­se auf regionaler Ebene mög­li­cher­wei­se auch deshalb, um ver­eins­recht­li­chen Verboten ent­ge­gen­zu­wir­ken. Ein weiteres Phänomen sind die so genannten „Autonomen Nationalisten (AN)“, die „linken“ Autonomen bei ober­fläch­li­cher Betrachtung stark ähneln und derzeit wohl das aggressivste Ge­walt­po­ten­zi­al innerhalb der rechten Szene aufweisen. Wenngleich sich die Autonomen Nationalisten mit ihrem modernen Lifestyle deutlich von „Altnazis“ abgrenzen, so beziehen sie sich in ihrer Welt­an­schau­ung ausdrücklich auf die Ideologien des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus im Dritten Reich. Ju­gend­kul­tu­rel­le Selbst­in­sze­nie­run­gen verlieren dabei immer mehr an Aussagekraft, denn die Zeichen und Codes sind oft nur noch Insidern bekannt. In dem un­auf­fäl­li­ge­ren Äußeren sehen die Sze­ne-An­hän­ger einerseits den Vorteil, sich auch in bislang un­er­schlos­se­nen Ju­gend­kul­tu­ren zu etablieren, andererseits Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit dem politischen Gegner und Po­li­zei­kon­trol­len zu entgehen. Eine rechts­ex­tre­mis­ti­sche Gesinnung ist somit nicht mehr unbedingt auf den ersten Blick zu erkennen.

Besonders wichtig aber ist: Gerade von Gruppen, die kaum an organisierte Formen gebunden sind, geht in Sachen Gewalt die größte Gefahr aus. Genau hinzuschauen lohnt sich hier also besonders.

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