Kindesmisshandlung erkennen
Bei Misshandlung sind Kinder auf Hilfe von außen angewiesen, da sie sich häufig im sozialen Umfeld abspielt. Doch wie kann man Kindesmisshandlung erkennen und wo erhält man selbst Hilfe? Hier finden Sie Ratschläge und nützliche Verhaltensregeln zum Schutz von Kindern und Jugendlichen.
Verhaltensveränderungen können ein Hinweis sein
Wie kann man Kindesmisshandlung erkennen?
Wird ein Kind geschlagen oder auf eine andere Weise körperlich misshandelt, so deuten fast immer sichtbare Verletzungen (wie blaue Flecken, Blutergüsse, Abschürfungen, Brand- und andere Wunden, Knochenbrüche) auf eine Gewaltanwendung hin. Einen Hinweis auf solche Verletzungen kann auch das Verhalten des Kindes geben, wenn es sich etwa weigert, nach dem Sport zu duschen oder wenn es im Unterricht nie kurze Hosen oder T-Shirts trägt.
Psychische Gewalt
Psychische Gewalt hinterlässt dagegen fast nie direkt sichtbare Spuren. In allen Fällen von Kindesmisshandlung können auch Verhaltensänderungen Hinweise sein: Wenn Kinder etwa besonders aggressiv oder auch still werden und sich aus ihrem sozialen Netz zurückziehen. Misshandelte Kinder können auch auf einmal einen starken Leistungsabfall oder unerklärliche Lernschwächen aufzeigen beziehungsweise ohne fassbaren Grund Sprachstörungen aufweisen und wieder beginnen einzunässen.
Vernachlässigungen
Auch Vernachlässigungen können Sie erkennen, zumindest dann, wenn das Kind den Kindergarten oder die Schule besucht: Ungepflegtes Äußeres, schmutzige, nicht alters- und witterungsgerechte Kleidung, unregelmäßiger oder kein Besuch der Kindertagesstätte und/oder Schule, Fehlen von Arbeitsmaterialien, Sportzeug oder Pausenbrot, Aufweisen immer wiederkehrenden Insektenbefalls wie Kopfläuse.
Was tun bei Verdacht auf Kindesmisshandlung?
- Greifen Sie beim Verdacht auf Kindesmisshandlung zum Schutz des Kindes rasch ein - das Kind braucht Ihre Hilfe!
- Nehmen Sie ein Kind ernst, wenn es von Gewalt zu Hause erzählt. Bewahren Sie Ruhe und hören Sie zu, ohne bohrende Fragen zu stellen.
- Ermitteln Sie nicht selbst, sondern schalten Sie Fachleute von Beratungsstellen, Jugendämtern und der Polizei ein - notfalls auch anonym.
- Eine Mitteilung an die Polizei schließt die Hilfe anderer Einrichtungen nicht aus und gewährleistet offizielle, professionelle Ermittlungen. Damit auch die zum Schutz des Kindes notwendigen Maßnahmen getroffen werden können, werden das zuständige Jugendamt oder auch das Familiengericht von der Polizei unterrichtet.
- Zwar ist die Polizei keine Einrichtung der Opferhilfe, doch gibt es auch hier Spezialisten - etwa die Jugendbeauftragten oder die Jugendsachbearbeiter, die Sie gerne beraten.
Für bestimmte Berufsgruppen gelten besondere rechtliche Regelungen, die im Folgenden zusammengefasst werden.
Lehrkräfte
Lehrerinnen und Lehrer sind durch ihren Erziehungsauftrag dazu verpflichtet, tätig zu werden, sofern begründete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass anvertraute Schülerinnen und Schüler Misshandlungen oder Vernachlässigungen ausgesetzt sind (Art. 7 GG). In Absprache mit der Schulleitung sollten Lehrkräfte im Regelfall zunächst die Eltern informieren und fachliche Beratung in Anspruch nehmen. Ist Gefahr im Verzug oder durch die Beteiligung der Eltern der wirksame Schutz des Kindes gefährdet, muss das Jugendamt unmittelbar benachrichtigt werden. Eine Strafanzeige bei der Polizei kann, muss aber nicht erstattet werden.
Erzieherinnen und Erzieher
Erzieherinnen und Erzieher sowie sozialpädagogische Fachkräfte sind gesetzlich verpflichtet, beim Verdacht auf Misshandlung oder Vernachlässigung eines von ihnen betreuten Kindes tätig zu werden (§ 8a SGB VIII). Nichtstun kann sowohl arbeits-, zivil- oder gar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Was Erzieherinnen und Erzieher konkret tun müssen, hängt von ihrem Qualifikationsgrad ab und ergibt sich aus der Kooperationsvereinbarung zwischen der jeweiligen Einrichtung und dem Jugendamt. Zunächst müssen sie gemeinsam mit einer insoweit geeigneten Fachkraft eine Gefährdungseinschätzung vornehmen, dann auf die Sorgeberechtigten zugehen und diesen Hilfe anbieten. Bei akuter Gefahr für das Kind, beispielsweise auch durch die Beteiligung der Eltern, sollen sie unmittelbar die jeweiligen Stellen wie Jugendamt, Familiengericht, Ärzte oder Polizei einschalten. Eine Strafanzeige bei der Polizei kann, muss aber nicht erstattet werden.
Ehrenamtliche in Jugendhilfeeinrichtungen
Der Schutzauftrag des § 8a Sozialgesetzbuch (SGB) VIII gilt nur für Träger von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen und hier wiederum unmittelbar nur für dort beschäftigte Fachkräfte. Fachkräfte sind Personen, die sich im Sinne von § 72 Abs. 1 SGB VIII für die Aufgabe eignen und eine dieser Aufgabe entsprechende Ausbildung erhalten haben.
Ist eine ehrenamtlich tätige Person zugleich Fachkraft, gilt für sie die Pflicht zur Wahrnehmung des Schutzauftrags. Laien hingegen, d.h. Personen ohne entsprechende Ausbildung, oder Personen in der Ausbildung, sind vom Schutzauftrag nach § 8a SGB VIII ausgenommen.
Einrichtungen und Dienste, die Laien einsetzen, müssen jedoch entsprechende Vorkehrungen treffen, dass auch diese bei Verdacht auf Misshandlung oder Vernachlässigung richtig und angemessen reagieren. Dies gilt für Kindertagesstätten ebenso wie für die zahlreichen Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit: Jugendtreffs, Jugendhäuser, Spielmobile und Ähnliches.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der sonstigen Kinder- und Jugendarbeit
Eine ganze Reihe von Einrichtungen bietet zwar Angebote für Kinder und Jugendliche an, erbringt aber keine Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII. Dazu gehören Kinder- und Jugendsportvereine, Pfadfinder, Jugendmusikvereine, Kindertheaterclubs und viele mehr. Für sie gilt der Schutzauftrag des § 8a SGB VIII nicht. Trotzdem erwachsen aus den jeweils zugrundeliegenden Trainings-, Unterrichts- oder Betreuungsverhältnissen auch rechtliche Schutzpflichten.
Bei Sporttrainerinnen und Sporttrainern sowie Übungsleiterinnen und Übungsleitern hängen die rechtlichen Pflichten von der jeweiligen Tätigkeit ab. In Clubs oder Jugendabteilungen unterliegen sie keiner gesetzlichen Verpflichtung zum Tätigwerden. Sie können und sollten aber aufgrund ihrer Trainereigenschaft Indizien wahrnehmen, die auf eine Vernachlässigung oder Misshandlung eines von ihnen trainierten Kindes oder Jugendlichen hindeuten. In Absprache mit ihrer Vereinsleitung können sie dann eine vom Verein benannte Anlaufstelle, z.B. das Jugendamt, informieren und die Klärung einer möglichen Gefährdung anregen.
Für Lehrkräfte im Sport und Mitarbeitende der Kinder- und Jugendhilfe gelten die oben genannten Pflichten.
Was können Sie tun?
Bei einem Verdacht auf Kindesmisshandlung sollten Sie die weitere Abklärung und erforderliche Interventionen Fachleuten überlassen. Dazu gehören:
- Beratungsstellen in freier Trägerschaft (beispielsweise dem Kinderschutzbund),
- Familien- und Erziehungsberatungsstellen,
- das Jugendamt,
- die Polizei.
Beratungsstellen und das Jugendamt behandeln Informationen auf Wunsch vertraulich (auch das Jugendamt ist nicht zur Anzeige verpflichtet). Die Polizei dagegen nimmt in jedem Fall Ermittlungen auf und erstattet Strafanzeige.
In akuten Notsituationen vermitteln Kinder-, Jugend-, Sorgen- und Nottelefone, aber auch die Polizei sofort Hilfe, vor allem außerhalb der Dienstzeiten der Beratungsstellen und Jugendämter.
Wichtige Telefonnummern
Elterntelefon unter der "Nummer gegen Kummer"
0800 111 0 550
Kinder und- Jugendtelefon
116 111
Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen"
116 016
TelefonSeelsorge
0800 1110111 oder 0800 1110222
oder im Chat unter www.telefonseelsorge.de
Hier finden Sie zusätzliche Informationen
- Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e. V.
- Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
- Nationales Zentrum Frühe Hilfen (elternsein.info)
- Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung e.V. (DAJEB)
- Deutscher Kinderschutzbund e. V.
- Frauenhauskoordinierung e. V.
- Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe e. V.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
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