Glossar K

Bitte geben Sie beim Zitieren aus dem Glossar folgende Quelle an:

Ver­bund­pro­jekt Transit
Deutsches Institut für Urbanistik
Sicherheit im Wohnumfeld - Glossar
Berlin 2014 

Kontrolle, soziale

Soziale Kontrolle beschreibt alle sozialen Strukturen und Prozesse anhand derer eine Gesellschaft das Verhalten von Individuen zu lenken versucht. Sie soll die Befolgung von sozialen und rechtlichen Normen sicherstellen und damit abweichendes →Verhalten verhindern oder verringern. Dies geschieht sowohl durch innere Kontrollen, die auf im Laufe der Sozialisation ver­in­ner­lich­ten ge­sell­schaft­li­chen Normen beruhen, als auch durch äußere Kontrollen, welche die Androhung oder Durchführung von Sanktionen beinhalten (vgl. Abt 2013).Es ist zwischen formeller →Kontrolle und informeller →Kontrolle zu unterscheiden. Das Bindeglied zwischen formeller und informeller Kontrolle sind kommunale →Si­cher­heits­part­ner­schaf­ten und Si­cher­heits­wach­ten, durch die es möglich ist, informelle soziale Kontrolle in Formen formeller Kontrolle zu integrieren (vgl. Siebel/Wehrheim 2003).

Kontrolle, formelle

Formelle Kontrolle ist eine Form der sozialen →Kontrolle. Sie basiert auf verfassten Regeln und wird meist von (staatlichen) Institutionen durchgeführt, die dafür zuständig sind, die Einhaltung sozialer Normen zu überwachen. Zu den Akteuren und Akteurinnen der formellen Kontrolle gehören →Polizei, Staats­an­walt­schaf­ten, Strafgerichte und Gefängnisse (vgl. Abt 2013; Siebel/Wehrheim 2003).

Kontrolle, informelle

Informelle Kontrolle ist eine Form der sozialen →Kontrolle. Im Gegensatz zur formellen →Kontrolle wird sie nicht von (staatlichen) Institutionen durchgeführt und basiert nicht auf verfassten Regeln. Soziale Gruppen und Netzwerke, die nicht explizit für die Nor­men­kon­trol­le geschaffen wurden, dienen der Durchsetzung informeller Kontrolle. Zu den Akteuren und Akteurinnen der informellen Kontrolle gehören z.B. Nachbarn und Nachbarinnen, Verwandte, Passanten und Passantinnen, sowie Freunde und Freundinnen (vgl. Abt 2013). Sie entsteht auf "natürlichem" Wege, wenn sich Bewohner und Bewohnerinnen für ihr Wohnumfeld ver­ant­wort­lich fühlen und einander begegnen, dies wird durch Wohngebiete mit hoher Be­völ­ke­rungs­dich­te, in denen ein großes Maß an Anonymität vorherrscht, erschwert (vgl. Siebel/Wehrheim 2003).

Kriminalität

Kriminalität ist die Gesamtheit aller straf­recht­lich relevanten Handlungen. Als Kriminalität wird oft das Verbrechen (nicht im Sinne des § 12 StGB) bezeichnet. Es wird zwischen dem natürlichen, straf­recht­li­chen und so­zio­lo­gi­schen Verbrechens-/Kri­mi­na­li­täts­be­griff unterschieden. Der natürliche Kri­mi­na­li­täts­be­griff umfasst nur wenige Handlungen, nämlich nur die, die in allen Kulturen und zu allen Zeiten als verwerflich angesehen wurden: Mord, Raub, Ver­ge­wal­ti­gung, Diebstahl und schwere Kör­per­ver­let­zung. Der straf­recht­li­che Kri­mi­na­li­täts­be­griff umfasst alle straf­recht­lich relevanten Handlungen (vgl. Schwind 2013). Also "handelt es sich um einen zeit-, raum- und kul­tur­ab­hän­gi­gen Begriff. Denn manches von dem, was heute strafbar, also kriminell ist, war es vor Jahren nicht – und umgekehrt" (BMI/BMJ 2001: 6). Der soziologische Kri­mi­na­li­täts­be­griff wird breiter als der straf­recht­li­che Kri­mi­na­li­täts­be­griff definiert und kann außer dem strafbaren auch sozial abweichendes →Verhalten umfassen.​Im tran­sit-Pro­jekt wird die straf­recht­li­che Definition von Kriminalität verwendet.

Kri­mi­na­li­täts­brenn­punkt

Kri­mi­na­li­täts­furcht

Kri­mi­na­li­täts­furcht ist "ein Aspekt von Einstellungen in Bezug auf Kriminalität" (Bals 2004: 55) und somit eine Ausprägung des subjektiven →Si­cher­heits­ge­fühls. Das Ausmaß der Kri­mi­na­li­täts­furcht ist abhängig von verschiedenen personalen Faktoren, z.B. Geschlecht, Alter, sozialer Status, der individuellen →Vul­ne­ra­bi­li­tät sowie von ge­samt­ge­sell­schaft­li­chen Entwicklungen. Es wird zwischen der Befürchtung von Personen, Opfer einer →Straftat zu werden (→Kri­mi­na­li­täts­furcht, personale), und der Einschätzung, in welchem Maße die Gesellschaft von →Kriminalität bedroht ist, (→Kri­mi­na­li­täts­furcht, soziale) unterschieden (vgl. Hohage 2004; Bornewasser/Köhn 2012). Außerdem kann zwischen drei Dimensionen der Kri­mi­na­li­täts­furcht unterschieden werden: Die affektive Dimension umfasst emotionale Reaktionen auf antizipierte, als bedrohlich empfundene kriminelle Ereignisse. Sie stellt die eigentliche Kri­mi­na­li­täts­furcht dar.​Die kognitive Dimension konzentriert sich auf die Einschätzung der Wahr­schein­lich­keit, selbst Opfer einer kriminellen Handlung zu werden.​Die konative Dimension bezieht sich auf manifestes Verhalten, das an den Tag gelegt wird, um einer antizipierten kriminellen Vik­ti­mi­sie­rung vorzubeugen (vgl. Boers 1991: 42 f.).

Kri­mi­na­li­täts­furcht, personale

Personale Kri­mi­na­li­täts­furcht ist eine Form der →Kri­mi­na­li­täts­furcht. Sie basiert auf der Sorge und Angst, persönlich bedroht oder Opfer von →Kriminalität zu werden (vgl. BMI/BMJ 2006: 485, 490 f.; Bornewasser/Köhn 2012).

Kri­mi­na­li­täts­furcht, soziale

Soziale Kri­mi­na­li­täts­furcht ist eine Form der →Kri­mi­na­li­täts­furcht, sie beschreibt die subjektive Einschätzung inwieweit die Gesellschaft durch →Kriminalität bedroht ist (vgl. BMI/BMJ 2006: 485,490 f.; Bornewasser/Köhn 2012).

Kri­mi­na­li­täts­la­ge­bild

In einem Kri­mi­na­li­täts­la­ge­bild wird →Kriminalität bezogen auf ein definiertes geografisches Gebiet zu einem festgelegten Zeitraum dargestellt. In einem objektiven Kri­mi­na­li­täts­la­ge­bild wird die objektive Kriminalität abgebildet, in einem subjektiven Kri­mi­na­li­täts­la­ge­bild entsprechend die subjektiv wahrgenommene Kriminalität. Ergänzungen von Angaben zu be­ein­flus­sen­den Rah­men­be­din­gun­gen (z.B. politischen, ge­sell­schaft­li­chen, so­zio­öko­no­mi­schen oder ethischen) können vorgenommen werden (vgl. BMI/BMJ 2006). Werden weitere die →Sicherheit be­ein­flus­sen­de Faktoren einbezogen, spricht man von einem →Si­cher­heits­la­ge­bild.

Kri­mi­nal­po­li­tik

Der Begriff der Kri­mi­nal­po­li­tik ist nicht einheitlich definiert. Das enge Verständnis beschränkt sich auf die Gestaltung, Legitimation und Umsetzung des Strafrechtes. Unter das breite Verständnis fallen alle staatlichen Maßnahmen zur Ver­bre­chens­ver­hü­tung und Ver­bre­chens­be­kämp­fung. Neben staatlichen Akteuren können auch private Akteure und Akteurinnen, wie z. B. private →Si­cher­heits­diens­te, kri­mi­nal­po­li­tisch relevant sein (vgl. Feltes 2006). Kri­mi­nal­po­li­tik ist Teil der →Si­cher­heits­po­li­tik.

Kri­mi­na­li­täts­ver­mei­dung

Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on

Unter den Begriff der Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on fallen alle staatlichen und privaten Maßnahmen und Programme, die dazu dienen, rechts­wid­ri­gen Taten vorzubeugen, diese zu verhindern oder in ihrer Folge abzuschwächen (vgl. Mesching 2005). Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on setzt auf zwei Ebenen an. Zum einen will sie die objektive →Sicherheit durch Senken der →Kriminalität erhöhen, zum anderen auch die subjektive →Si­cher­heits­la­ge verbessern, indem die →Kri­mi­na­li­täts­furcht gemindert wird (vgl. Oberwittler 2003: 31 f.). Es wird zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on unterschieden. Primäre Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on zielt auf die Ge­samt­be­völ­ke­rung ab und setzt mit Hilfe von Vor­beu­gungs­maß­nah­men bei den Ent­ste­hungs­be­din­gun­gen von Kriminalität an (z.B. Jugendhilfe- und Bil­dungs­an­ge­bo­te, Maßnahmen der verschiedener Po­li­tik­be­rei­che, wie Arbeits-, Familien-, Kultur- und Sozialpolitik). Sekundäre Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on richtet sich an Risikogruppen und hat die Abschreckung potenzieller Straftäter und Straf­tä­te­rin­nen zum Ziel, indem sie z.B. Opfer unterstützt oder Tat­ge­le­gen­hei­ten verringert werden. Tertiäre Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on richtet sich an bereits straffällig gewordene Personen und soll die Rück­fall­wahr­schein­lich­keit vermindern (vgl. John 2012). Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on umfasst eine Vielzahl von un­ter­schied­li­chen Maßnahmen verschiedener Akteure und Akteurinnen, so fallen z.B. polizeiliche, soziale und städ­te­bau­li­che Maßnahmen (vgl. →Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on, städ­te­bau­li­che) hier zusammen (vgl. ebenda).

Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on, ge­mein­de­ori­en­tier­te

Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on, situative

Beim situativen Ansatz steht die Tat­ge­le­gen­heit und nicht der →Täter oder die Täterin im Vordergrund der kri­mi­nal­prä­ven­ti­ven Maßnahmen. Situative Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on basiert auf den Annahmen, dass sich Tat­ge­le­gen­hei­ten aus der Alltagroutine ergeben (Zu­sam­men­tref­fen von motiviertem Täter bzw. Täterin, geeignetem Ziel/Opfer bei gleich­zei­ti­ger Abwesenheit von Be­ob­ach­te­rin­nen und Beobachtern), dass Täter und Täterinnen rationale Nut­zen­ma­xi­mie­rer sind und dass Kriminalität durch soziale Konflikte entsteht, welche durch bestimmte situative Gegebenheiten verschärft werden können. Kritisiert wird an diesem Ansatz, dass er keine tiefgehende Ur­sa­chen­be­kämp­fung betreibt (vgl. Schubert/Spieckermann/Veil 2007; Kohl 2012). Damit geht die Annahme einher, dass die Tat­ge­le­gen­heit an sich keine Ursache von Kriminalität ist. Andere Ansätze hingegen werten auch die Gelegenheit als Ursache (Felson/Clarke 1998). Tat­ge­le­gen­hei­ten können im Zuge des Gestaltung von Häusern und Räumen reduziert werden und somit kri­mi­na­li­täts­hem­mend wirken (vgl. Farrell 2013; The Economist 2013; Van Dijk u.a. 2007; Van Dijk u.a. 2012) (→Crime Prevention Through Environmental Design). 

Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on, städ­te­bau­li­che

Bei der städ­te­bau­li­chen Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on soll durch bauliche (Um-)Gestaltung im urbanen Raum →Kriminalität verhindert werden und gleichzeitig das Si­cher­heits­ge­fühl (→Sicherheit, subjektive) der Bevölkerung gestärkt werden (vgl. Kober 2012). Der Zusammenhang von Wohnumfeld und Kriminalität wurde zunächst von der Chicago‑Schule thematisiert, im Rahmen der sozialen Des­or­ga­ni­sa­ti­ons­theo­rie konzipiert. Die kri­mi­nal­prä­ven­ti­ve Wirkung von städ­te­bau­li­cher Gestaltung wurde anschließend weiterhin in den USA in Ansätzen wie dem →CPTED oder der →De­fen­si­ble-Space-Theo­rie analysiert. Aufbauend auf diesen Ansätzen sind auch in Deutschland Leitlinien für die Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on im →Städtebau entstanden (z.B. als Leitlinien einer kri­mi­nal­prä­ven­ti­ven Sied­lungs­ge­stal­tung nach CPTED in: NMSFFG 2005). Die städ­te­bau­li­che Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on ist nicht unumstritten, so wird kritisiert, dass durch die räumliche Gestaltung Ver­hal­tens­wei­sen als erwünscht bzw. nicht erwünscht normiert werden und dies zum Ausschluss bestimmter Personen­gruppen führen kann (vgl. Kober 2012).Zu den Akteuren und Akteurinnen der städ­te­bau­li­chen Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on gehören primär die kommunalen Ämter für die Bereiche Stadtplanung bzw. Städtebau, Architektur und Grünflächen, darüber hinaus auch die Ämter für Jugend und Familie, →Woh­nungs­un­ter­neh­men, die Polizei, lokale →Prä­ven­ti­ons­gre­mi­en, Bürger und Bürgerinnen sowie Bewohner und Bewohnerinnen.

Kri­mi­nal­prä­ven­ti­ve Gremien

Die Einführung lokaler kri­mi­nal­prä­ven­ti­ver Gremien fand in Deutschland verstärkt seit den 1990er-Jahren statt und orientiert sich dabei vor allem an der Entwicklung in den USA und im europäischen Ausland, wo diese bereits in verschiedenen Formen implementiert wurden (vgl. Steffen 2004). Grundlegende Struk­tur­prin­zi­pi­en sind

  • ein Res­sort­über­grei­fen­der Ansatz,
  • Bürger und Bür­ge­rin­nen­be­tei­li­gung/Öf­fent­lich­keit und
  • "Bür­ger­meis­ter­pflicht" (vgl. Stiftung Deutsches Forum für Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on 2005).

Am stärksten sind in den Gremien kommunale Dienststellen vertreten (Bürgermeister, Stadt­ver­wal­tung, Ämter der Kommune, Stadtwerke), außerdem, aufgelistet mit abnehmender Bedeutung, die →Polizei, Wirtschafts- und Han­dels­ver­tre­ter, Schulen, Vereine und sonstige Einrichtungen. Bürger und Bürgerinnen sind, entgegen den Struk­tur­prin­zi­pi­en, kaum vertreten (vgl. Steffen 2004). In den Gremien soll "umfassend und unter Einbeziehung aller potentiell betroffenen Ressorts und Akteure […] ein kommunales →Si­cher­heits­kon­zept entwickelt werden, in welchem die prioritären Ziele und Tä­tig­keits­schwer­punk­te aller Beteiligten festgelegt werden" (Stiftung Deutsches Forum für Kri­mi­nal­prä­ven­ti­on 2005). Es sollen funk­tio­nie­ren­de Ko­ope­ra­ti­ons­struk­tu­ren aufgebaut werden, und durch die lokale Verankerung der Gremien werden eine Be­rück­sich­ti­gung spezifischer Bedürfnisse, Situationen und Vor­aus­set­zun­gen, eine Einbindung lokalen Wissens sowie eine breite Akzeptanz von Maßnahmen bei der Bevölkerung erhofft (vgl. ebenda).  

Kri­mi­nal­prä­ven­ti­ve Stadt­ge­stal­tung