Durch Gestaltung objektive und subjektive Sicherheit erreichen
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Bahnhöfe und Umsteigepunkte sowie deren Umfeld gehören nicht per se zu den objektiv gefährlicheren Orten. Sie sind überwiegend Transitorte, an denen sich viele Menschen aufhalten. Anonymität und der Wegfall einer sozialen Kontrolle machen Bahnhöfe jedoch für Straftäter attraktiv. Bei der Planung und Gestaltung sollten daher die Aspekte der Städtebaulichen Kriminalprävention berücksichtigt werden.
Die besonderen kriminalpräventiven Herausforderungen im Bereich von Bahnhöfen und ihrem Umfeld liegen in den folgenden Aspekten:
- weitgehende Anonymität
- überwiegender Transitort mit eingeschränkter sozialer Kontrolle
- stark schwankende Nutzungszahlen (Extreme)
- hohe Anzahl von Touristinnen und Touristen bzw. Ortsfremden
- Vorhandensein schwieriger/als problematisch empfundener Nutzungsgruppen
- hohe Problemkonzentration, Problemtradition und entsprechendes Image
- hohe Sensibilität in Bezug auf das Sicherheitsgefühl
- Aufmerksamkeit/Stigmatisierung durch Medien
- besonders große Differenz zwischen tatsächlicher und empfundener Sicherheit
- verschiedene Verantwortliche/Eigentumsstrukturen mit unterschiedlicher Organisation und Zielsetzung
Bahnsteige: Sichteinschränkungen möglichst geringhalten
Bahnsteige sind häufig mit unterschiedlichsten Elementen wie Fahrschein- und Getränkeautomaten, Notrufsäulen, Kiosken aller Art, Bänken und Mülleimern ausgestattet. Bei U-Bahnanlagen wird die Sicht meist durch die statisch notwendigen Stützen zusätzlich erschwert. Bei der Bahnsteigmöblierung sollte deshalb darauf geachtet werden, dass neben den Anforderungen der Barrierefreiheit die Sichteinschränkungen möglichst gering bleiben und sich zwischen und hinter einzelnen Elementen keine Versteck- oder Tatmöglichkeiten bieten. Nicht mehr benötigte bauliche Installationen wie ehemalige Schaffnerhäuschen sollten deshalb einer neuen belebenden Nutzung zugeführt werden oder zugunsten einer besseren Übersichtlichkeit entfernt werden. Service- bzw. Notrufsäulen gehören zum Ausstattungsstandard und sollten gut sichtbar aufgestellt oder entsprechend ausgewiesen sein. Um das Sicherheitsgefühl bewusst zu stärken, können z.B. so genannte „Blue Zones“ eingerichtet werden, d. h. speziell durch Bodenmarkierung gekennzeichnete Flächen, die besonders im Fokus der Videoüberwachung stehen. Menschen mit einem höheren Sicherheitsbedürfnis können sich während der Wartezeiten bewusst in diesen Zonen aufhalten, die auch mit Sitzmöglichkeiten ausgestattet werden sollten.
Robuste und pflegeleichte Möblierung wählen
Grundsätzlich sollte bei der Auswahl der Möblierung auf eine möglichst große Robustheit, Wertigkeit und Pflegeleichtigkeit bei gleichzeitigem Komfort für alle Generationen geachtet werden. Geeignete Bänke und deren Standortwahl gegen Durchzug bieten Aufenthalt für ältere Menschen durch bspw. Lehnen und Abstützbügel, verhindern jedoch durch die Bauweise einen längeren Verbleib. Jede Möblierung öffentlicher Räume sollte zudem unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung von Übersichtlichkeit, Sauberkeit und sozialer Kontrolle erfolgen. Das Sicherheitsgefühl sollte nicht beeinträchtigt werden - beispielsweise ist es für die meisten Menschen unangenehm, mit dem Rücken zu Räumen zu sitzen, in denen viel Bewegung stattfindet und die sie nicht überblicken können.
Zuwegungen und Tunnel übersichtlich gestalten
Entscheidende Gestaltungskriterien sind insbesondere Übersichtlichkeit und Einsehbarkeit sowie gute Beleuchtung. Zugangswege müssen dem Passagieraufkommen angemessen sein und sollten von Möblierung möglichst freigehalten werden. Eine Belebung durch zusätzliche, nicht vom Verkehrstakt abhängige Nutzung kann die soziale Kontrolle erhöhen und den gefühlten Unsicherheiten entgegenwirken. Die Deckenhöhen bei Treppenabgängen sollten so hoch sein, dass man beim Hinab- oder Hinaufgehen die gesamte Treppe im Blick hat. Nachträgliche Veränderungen zur Verbesserung des Brand- und Rauchschutzes dürfen die vorhandenen Blickbeziehungen nicht weiter einschränken und sollten möglichst transparent gestaltet werden. Barrierefreie Erschließung sollte selbstverständlich sein. Wenn Tunnel nicht zu vermeiden sind, sollten diese möglichst geradlinig verlaufen, in hellen Farben gestaltet und sehr hell beleuchtet sein. Je nach Länge und Verlauf des Tunnels ist die Anbringung zusätzlicher, von weitem gut erkennbarer Notrufeinrichtungen sinnvoll. Eine gute Instandhaltung wirkt sich ebenfalls positiv auf das Sicherheitsgefühl aus. Zur Vermeidung von Tatmöglichkeiten und zur Stärkung des Sicherheitsgefühls kann es entscheidend sein, dass Fahrgäste sich direkt, zügig und auf kürzestem Wege zu ihren Zielen bewegen können. Der Einsatz von deutlich erkennbaren und leicht verständlichen optischen Orientierungshilfen (z. B. Piktogramme, Farbleitsystemen in Form von Bodenmarkierungen) an Eingängen oder Kreuzungspunkten erleichtert auch ortsfremden oder fremdsprachigen Personen die Wegefindung.
Schlecht einsehbare Bereiche lösen Verunsicherung aus. Tatsächlich bieten Ecken, Winkel, Nischen, Vorsprünge, aber auch nah am Weg stehende größere Gehölze, ungünstig platzierte Möblierung, Automaten oder Plakatwände potenziellen Tätern die Möglichkeit, sich zu verbergen und dies für Straftaten nutzen zu können. Problematischen Nutzungen kann auch durch die Auswahl der Lichtfarbe begegnet werden. Ein kaltweißer Farbton ist auf Dauer unangenehm und verringert die Attraktivität für unerwünschte „Dauernutzer“, während beispielsweise blaues Licht die Möglichkeiten zum Drogenkonsum mittels Spritzen einschränkt.
Bahnhofsumfeld gezielt beleben und aufwerten
Das unmittelbare Bahnhofsumfeld bietet primär Raum für den Transit und den Wechsel des Transportmittels, kann aber auch als Aufenthaltsort und prägnanter Treffpunkt dienen. Durch gestalterische Maßnahmen, gezielte Belebung und Aufwertung kann eine ungewollte oder einseitige Nutzung reduziert werden. Dabei gilt der Grundsatz, dass eine starke Inanspruchnahme durch erwünschte Nutzergruppen über möglichst weite Bereiche des Tages den besten Schutz darstellt. Die erforderlichen Schritte umfassen die Zonierung und Nutzungszuweisung in den öffentlichen Bereichen, die bewusste Belegung mit attraktiven und hochwertigen Nutzungen, die konsequente Reinigung und Pflege insbesondere auch vorhandener Grünflächen sowie den zuverlässigen Verschluss privater Räume (z. B. Haus- und Kellereingänge von Wohnanlagen im Umfeld). Die Gestaltung des Wegenetzes sollte die zu erwartenden tatsächlichen Laufgewohnheiten der Nutzergruppen berücksichtigen. Dichte Gehölzrabatten, Nischen und Winkel jeder Art, ungenutzte Räume, nicht gut einsehbare Bereiche, Hochbeete und die Sicht behindernd angeordnete Objekte im Bahnhofsumfeld sollten grundsätzlich vermieden werden. Der Fokus sollte bei der Gestaltung entsprechend auf Funktionalität, Dauerhaftigkeit, Resistenz gegen Vandalismus und Pflegeleichtigkeit gelegt werden. Dabei muss Verwahrlosungstendenzen schnell und bereits im Ansatz begegnet werden.
Das nähere Bahnhofsumfeld ist jedoch oft traditioneller Sammelpunkt eher wenig akzeptierter Nutzergruppen. Die Anonymität schafft die gewünschte Unauffälligkeit. Nahverkehrssysteme stellen in Innenstädten zudem bevorzugte Drogenumschlagsplätze dar. Ausschlaggebend dafür sind vor allem die gute Erreichbarkeit, Wetterunabhängigkeit und das Vorhandensein geeigneter, schwer einsehbarer Treffpunkte. Bahnhofsvorplätze, aber auch umliegende Grünanlagen, Friedhöfe oder Wohnhäuser dienen in diesem Kontext sowohl als Orte schnellen Konsums wie auch als Drogenbunker. Die Gefahren aus der Drogen- und der im Bahnhofsumfeld ebenfalls oft anzutreffenden Prostitutionsszene inklusive ihrer Begleitkriminalität (z. B. Diebstähle, Einbrüche) erfordern gezielte und unter den Verantwortlichen und Anliegern im Netzwerk abgestimmte Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Einschränkung.
Abstellmöglichkeiten und Shared Mobility: Auf den richtigen Standort achten
Um den Bahnhof oder Umsteigepunkt zu erreichen wird neben der konventionellen Nutzung eigener Fahrmöglichkeiten das Konzept gemeinsam genutzter Fahrzeuge und Mobilitätsangebote ein zunehmender Trend insbesondere in Großstädten. Dies umfasst die Nutzung von Autos, Fahrrädern bzw. E-Rollern und organisierten Mitfahrgelegenheiten, hinzu kommen spezielle Bring- und Holdienste und Parkplatzdienste.
Unabhängig davon, ob man mit dem eigenen Gefährt oder einem Mobilitätsangebot zum Bahnhof gelangt, sollten z.B. zur Vermeidung von Diebstahl und Vandalismus die Abstellmöglichkeiten attraktiv, zuverlässig und sicher ausgestaltet werden. Hierzu zählen kurze Wege, eine gute Sichtbarkeit und eine am Bedarf orientierte ausreichende Verfügbarkeit. Dadurch wird bspw. dem Anschließen von Zweirädern an Zäunen, Verkehrsschildern, Lampenmasten, Bäumen etc. oder dem Falschparken entgegengewirkt. Eine deutliche Kennzeichnung der jeweiligen Flächen, gute Beleuchtung und Einsehbarkeit sollten ebenfalls Berücksichtigung finden. Abstellplätze sollten nicht durch Hecken oder Mauern abgeschirmt werden. Eine Videoüberwachungsanlage sollte dann erwogen werden, wenn die Abstellbereiche zu Nachtzeiten deutlich weniger frequentiert oder nicht von allen Seiten einzusehen sind.
Fahrradständer sollten bequem und einfach benutzbar sein und zugleich das Fahrrad gegen Beschädigungen schützen. Sie sollten das Anschließen des Rahmens sowie des Vorder- oder Hinterrades mit einem kurzen Schloss ermöglichen sowie einen ausreichenden Abstand zwischen den abgestellten Fahrrädern gewährleisten, damit ein leichtes Ein- und Ausparken, sicheres Anschließen des Fahrrades und ein Be-/Entladen ohne Beschädigung von Nachbarrädern und der eigenen Kleidung möglich ist. Dabei sind die Vorschriften der Landesbauordnungen zu beachten.
Weitere Informationen gibt es auch vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC).
Es gibt vielfältige Möglichkeiten zum sicheren Abstellen, die jeweils auf ihre Eignung für den Ort (baulich, gestalterisch), das Betreiberkonzept und den Kostenrahmen geprüft werden müssen. Sie reichen bspw. bei Fahrrädern vom einfachen Anlehnbügel über Fahrradkäfige, Fahrradboxen bis zu video- und/oder personalüberwachten Fahrradparkhäusern und so genannten „Radstationen“, in denen die kostenpflichtige Abstellmöglichkeit mit anderen Dienstleistungen (Information, Ticketverkauf, Imbiss, Verkauf von Stadtplänen und Radwegekarten, Fahrradreparaturen etc.) verbunden wird.
Zugangskontrollierte und/oder automatisierte Systeme bieten z.B. eine sehr gute Sicherheit. Nur beschränkt zur Verfügung stehende Räume werden durch Doppelstockparker optimal genutzt. Vorgesehen werden sollten auch Schließfächer, z.B. für Fahrradhelme, sowie Stellplätze für Lastenfahrräder, E-Bikes und -Roller, Räder mit Aufbauten (z. B. sollten Kindersitze beim Doppelstockparken auch in der oberen Ebene eingeplant werden).
Grundsätzlich sollte – wie bei der öffentlichen Möblierung generell – darauf geachtet werden, dass der Raum durch zusätzliche Elemente nicht unübersichtlich wirkt, da dies für diverse Delikte tatbegünstigend sein kann. Offenbar aufgegebene und/oder in Teilen schon demontierte Räder sollten schnell entfernt werden, um Vermüllungstendenzen vorzugreifen und Vandalismustaten vorzubeugen.
Exemplarische Leitfragen zur Gestaltung von Bahnhöfen und deren Umfeld:
- Sind die Zuständigkeiten für die jeweiligen Flächen klar geregelt und den Verantwortlichen bekannt?
- Erfolgt ein objektbezogener regelmäßiger fachlicher Austausch zwischen den Verantwortlichen mit dem Ziel der Problembehebung?
- Gibt es ein individuelles Pflege- und Reinigungskonzept?
- Sind die Flächen gut erreichbar, zentral gelegen, wettergeschützt, ausreichend und regelhaft beleuchtet, gut einsehbar und strukturiert?
- Können sich auch ortsfremde Nutzende anhand der Beschilderung gut orientieren?
- Ist eine barrierefreie Nutzung möglich?
- Gibt es ausreichende Abstell- und Sicherungsmöglichkeiten?
- Besteht die Notwendigkeit bzw. Möglichkeit einer Videoüberwachung?
- Sind die Ausstattung und das Mobiliar übersichtlich gestaltet, gegen Vandalismus resistent und in ausreichender Anzahl vorhanden?
- Gibt es eine soziale Kontrolle durch Gewerbetreibende oder andere Serviceeinrichtungen?
- Gibt es gut sichtbare Notrufeinrichtungen oder Sicherheitszonen?
- Gibt es ein Wegeleitsystem und ausreichend Flucht-/Rettungswege?